Bericht der UWV-Internetredaktion
Gemeinschaftsschule – ja oder nein?
Eins ist vollkommen klar: Je kleiner die Klassen, desto erfolgreicher die Arbeit an den Schulen. Jeder wird individuell gewürdigt, kann seine Stärken zeigen und seine Schwächen aufarbeiten. Die Lehrkraft ist ganz nah dran und alle sind miteinander im Gespräch. Insofern sind die kleinen Lerngruppen der Schulen, die nur noch wenige Anmeldungen haben, eigentlich ein Paradies. Nur will niemand dafür zahlen. Anders ausgedrückt: je kleiner hier die Klassen, desto größer sind sie an anderen Schulen. Denn die landesweite Schüler-Lehrer-Relation wird natürlich beibehalten. Also muss – um an den großen Schulen keine Unterversorgung (Unterrichtsausfall, Nichterteilen bestimmter Mangelfächer) zu riskieren – das statistische Mittelmaß her. Und das heißt eben nicht einzügig, sondern mindestens zwei parallele Klassen in jeder Stufe und nicht 15, sondern 25 Schüler in jeder Klasse; eher auch ein paar mehr. Die Obergrenze liegt bei über 30.
Was ist also die Lösung, wenn Schulstandorte erhalten bleiben sollen? Man legt Teile des bisher in Haupt- und Realschule sowie Gymnasium differenzierten Schulsystems zusammen. Und zwar die Haupt- und Realschulen. Während früher ungefähr ein Viertel eines jeden vierten Schuljahres zum Gymnasium ging, ist es heute mehr als die Hälfte. Bestandsängste kommen da so bald nicht auf; wenngleich auch hier durchaus Konkurrenzdenken existiert. Zahlenmäßiger Verlierer sind die Hauptschulen, die in den letzten 10 Jahren konsequent kaputt geredet und geschrieben worden sind. Sicherlich gab es schwerwiegende Vorfälle an großstädtischen Schulen, wo Gewaltprobleme eskalierten, Lehrer bedroht wurden und die zu wenig vorhandene Sozialarbeit schließlich auch nichts mehr retten konnte. Bewerbungen mit Hauptschulzeugnissen schienen wenig erfolgreich. Zu viele Eltern haben sich mit dieser Vorstellung im Kopf gegen eine Einschulung ihres Kindes an dieser Schulform gewehrt; obwohl die Grundschulgutachten, die ja zweitweise maßgeblich waren, klare Maßstäbe anlegen. Mit der Abwertung dieser Gutachten und dem Elternwillen als einziger Grundlage für eine Anmeldung war dann schnell die Hauptschule „gestorben“.
Dabei gibt es unzählige Hauptschüler, die gute Erfahrungen dort gemacht und einen respektablen Schritt ins Berufsleben getan haben. Diejenigen allerdings, die nicht nur ein bisschen längere Zeit zum Lernen brauchen, sondern massiv in anderer Weise auffällig sind (Milieustörungen, Sprachdefizite, eklatante Erziehungsmängel) hätten mehr und andere Hilfe gebraucht, die im Rahmen einer Schulstunde, die ja auf Wissensvermittlung ausgerichtet ist, nicht zu leisten ist; trotz hoch motivierter Hauptschulkollegen, die mehr und mehr erzieherisch tätig sind. In einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt nur noch qualifizierte, besser und hoch qualifizierte Arbeitskräfte braucht, ist die Perspektivlosigkeit vielen früh vor Augen. Und dann? Daran ändert auch das Zusammenlegen der Schulformen nichts. Und auch das längere gemeinsame Lernen, das auf die frühe Verteilung nach dem 4. Schuljahr verzichtet, nicht. Differenziert in Grund- und Ergänzungskurse wird ja nur in den Hauptfächern; in den übrigen Fächern lernen alle zusammen. Und hier sind dann erhebliche Leistungsunterschiede mit binnendifferenziertem Unterricht auszugleichen, was unterschiedliche Arbeitsmaterialien, Aufgabenstellungen und natürlich auch nach Schwierigkeit gestaffelte Leistungsüberprüfungen innerhalb einer Lerngruppe erfordert. Da allen gerecht zu werden ist extrem schwierig und macht eine Vergleichbarkeit von Noten unübersichtlich. Lernstoff in einer einigermaßen homogenen Lerngruppe zu vermitteln – wie dies früher als Ziel galt - gehört dann endgültig der Vergangenheit an. Fällt die äußere Differenzierung in unterschiedliche Schulformen weg, erhöhen sich die Anforderungen an die innere Differenzierung enorm.
Wie sieht die Lösung also aus? Wohnortnahe Schulstandorte müssen erhalten bleiben, sonst sterben unsere Dörfer aus. Eine Gemeinschaftsschule ist ein Schulversuch, dieses zu leisten; ob sie der Individualität der Schüler besser gerecht wird als ein gegliedertes Schulsystem darf bezweifelt werden und muss sich erst erweisen. Darüber Aussagen zu treffen, ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.